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DEPLATZIERTE ANWENDUNG DES RECHTS # 6: REPRÄSENTATION*
von Nuria Güell

Aplicación Legal desplazada #6: Representación by Nuria Güell

DEPLATZIERTE ANWENDUNG DES RECHTS # 6: REPRÄSENTATION*

laufendes Projekt 2012

Aktionskunst und Dokumentarvideo

Geführte Tour, Bilder der politischen Pinakothek des Kongresses, Infoblatt Museumsraum, wirtschaftliche und historische Informationen über die Gemälde und die dargestellten Personen

ZUSAMMENFASSUNG

Der spanische Staat investiert große Mengen an öffentlichen Geldern, um die Abgeordneten in der politischen Pinakothek des Kongresses zu verewigen. Angesichts der Beseitigung, Einschränkung und/oder Privatisierung der bürgerlichen Grundrechte auf Grund des Geldmangels in den öffentlichen Kassen verfolgt das Projekt A.L.D. # 6: Representación das Ziel, das Image der Politiker profitabel zu machen. Das Projekt basiert auf der These, dass Politiker in der Demokratie nur aus einem einzigen legalen Grund in die Geschichte eingehen können, nämlich wenn sie sich für das Gemeinwohl eingesetzt haben. Dagegen ist es nicht berechtigt, wenn sie sich ohne Grund verewigen lassen und hierfür öffentliche Gelder und Arbeitszeit aufgewendet werden. Ich werde eine Volksbefragung per Internet durchführen, bei der darüber abgestimmt werden soll, ob die öffentlichen Gelder zurückgezahlt werden können, die der Staat in der Phase der Demokratie ungefragt darin investiert hat, einzelne Persönlichkeiten auf den Thron zu heben und in der politischen Pinakothek auszustellen.

Obwohl ich die Volksabstimmung bis in ihre letzten Konsequenzen durchführen möchte, interessiert mich, neben dem Ergebnis, die Verwendung dieses demokratischen Mechanismus zur Bürgerrepräsentation als wichtige Ressource zur Offenlegung politischer Mechanismen, die sich in der Demokratie durchgesetzt haben. Für die Ausschreibung Participar.de möchte ich den ersten Teil des Projektes umsetzen, d. h. ich werde die Führung durch die politische Pinakothek des Kongresses ankündigen und durchführen und mich dabei auf die Porträts von Politikern der Demokratie (ab 1977) konzentrieren. Der Besuch findet im Rahmen einer „Kunstausstellung“ statt, es gibt ein Infoblatt zum Museumsraum mit Informationen über die Kosten des jeweiligen Porträts, den Namen des Malers, des Auftraggebers und über die wichtigsten Daten jedes Politikers. Der Zweck des Besuchs ist, dass die Bürger aus erster Hand etwas über den Gegenstand der Volksabstimmung erfahren und dass diese nirgends aufgeführten Ausgaben öffentlicher Gelder sichtbar gemacht werden. Das Video, das während des Besuchs gedreht wird, werde ich als Infomaterial für die Volksabstimmung verwenden.

** Der im Titel verwendete Begriff „Repräsentation“ spielt mit der Doppelbedeutung des Wortes: einerseits impliziert er Treue zum repräsentierten Gegenstand, so wie dies im Fall des spanischen Wahlsystems vorausgesetzt wird, oder auch bei der künstlerischen Arbeit im Sinne der klassischen Tradition der Kunst. Andererseits verbinde ich den Begriff mit „so tun als ob“, d. h. wenn jemand vor einem Publikum eine Rolle spielt.

BEGRÜNDUNG

Die Entscheidungen des Staates haben Einfluss auf die schwächsten Glieder der Gesellschaft und verschärfen ihre Lebensbedingungen: es ist unmöglich, eine Wohnung oder bezahlte Arbeit zu finden, die Kosten für die Grundversorgung (Wasser, Gas, Telefon, Strom) werden erhöht und Grundrechte wie Bildung, Gesundheit, Sozialdienstleistungen, Transport und Kultur werden gestrichen, reduziert und/oder privatisiert. Währenddessen investieren unsere Abgeordneten, obwohl sie sich angesichts der Lage im Land sehr besorgt zeigen, öffentliche Gelder in Porträts, die jeweils um die 86.000 € kosten (ein Bild kostete sogar 194.000 €), um sich in der politischen Pinakothek des Kongresses zu verewigen. Dies ist keine ausschließliche Praxis der staatlichen Verwaltung: Stadträte, Bezirksräte und Vertreter der autonomen Regionen lassen sich ebenfalls porträtieren. Es ist bekannt, dass Politiker viele Stunden vor dem Spiegel stehen, um verführerischer, sicherer und sympathischer zu wirken. In Rhetorikseminaren bemühen sich ihre Berater, leere Worte klingen zu lassen. Wie das Handbuch für politisches Marketing besagt: es ist nicht entscheidend, was man ist, sondern was man vorgibt zu sein und was man vermitteln kann. Dank der Repräsentation wird die aktuelle Politik vor allem durch eine Doppelmoral geprägt.

ZIELE

Im Laufe der Geschichte stand Kunst im Dienst der herrschenden Macht, wie es bei der Kirche und der Monarchie der Fall war. In Spanien gibt es dank der Königsfamilie eine große Tradition der Hofmalerei, die zurzeit von der staatlichen Verwaltung kultiviert wird, indem Porträts für die Galerien in Kongress und Senat in Auftrag gegeben werden, die als wichtigste politische Pinakotheken Spaniens gelten. Mit dem Projekt A.L.D. # 6: Representación möchte ich untersuchen, wie die spanischen Politiker mit ihrem „Image“ spielen und welche Rolle die Kunst bei der Konstruktion dieses „Images“ in einem demokratischen Staat spielt. 

Mariano Rajoy. 2010. Galería de ministros de Educación
Ana Palacio. 2004. Galería de ministros de Exteriores

Nuria Güell ist Jahrgang 1981. Ihre Ausbildung in bildender Kunst erhielt sie in Barcelona und Havanna. In den Jahren 2009 und 2012 nahm sie an der 10. Biennale in Havanna teil, 2010 an den Biennalen in Pontevedra und in Liverpool und 2011 wurden ihre Arbeiten anlässlich der Triennale Tallinn und der Biennale Ljubljana gezeigt. Ihre Werke wurden in Museen in Barcelona, Den Haag, Madrid, 's-Hertogenbosch, Paris, New York, Chicago, Miami, Formigine, London, Stockholm und Havanna sowie in verschiedenen selbst verwalteten, sozialen Zentren gezeigt. Sie ist Trägerin mehrerer staatlicher Preise, derzeit beendet sie einen künstlerischen Aufenthalt am SOMA in Mexiko City. Die Künstlerin sagt über ihr Werk: „Ich setze mich kritisch mit der Ethik der Institutionen auseinander, von denen wir regiert werden. Ich möchte den Missbrauch aufdecken, der durch die bestehende „Rechtsauffassung“ möglich wird. Gleichzeitig analysiere ich, wie die Machtmechanismen Kontrollstrategien entwickeln, die einer Machtergreifung der Subjektivität gleichkommen und unsere Verhaltensmuster, unser Denken und unser Fühlen beeinflussen. Diese Analyse führt mich einerseits zu einer Veranschaulichung dieser Strategien und andererseits zur Entwicklung neuer Strategien, um die herkömmlichen Mechanismen außer Kraft zu setzen oder sie einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Hierfür provoziere ich durch bestimmte Aktionen Interferenzen im Alltag, indem ich die Realität und die sie begleitende Offensichtlichkeit unterwandere und andere mögliche Realitäten schaffe, durch die die bestehenden Machtverhältnisse geändert werden.“ 

Das Goethe-Institut und die übrigen Projektpartner übernehmen keine Verantwortung von den getätigten Aussagen der Künstler in ihren jeweiligen Projekten.