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Die Geschichte finden, die nicht vorhanden ist
von Rosell Meseguer

Encontrar la historia que no existe by Rosell Meseguer

„Reinhart Koselleck sagte einmal, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt jedes historisches Ereignis zwangsläufig Geschichte wird. Diese Behauptung hat vielschichtige Bedeutungen, die wichtigste ist wohl die, dass diese historischen Ereignisse zu einem späteren Zeitpunkt als Geschichte betrachtet werden, weil es zu einer veränderten Einordnung und Rezeption kommt. Es ist nicht gerecht, dass sich im Laufe der Zeit die emotionale Beteiligung an einem Ereignis verflüchtigt, während unser Wissen über seinen weiteren Verlauf erweitert wird und wir hierdurch mit seiner kognitiven Wirkung bereichert werden; früher oder später wird dieses Ereignis als ein Konglomerat von Schlüsselideen und Bildern kodifiziert, ein Prozess, der zu einer Rezeption des Gewesenen führt, eine Ideologie hervorruft und allmählich die Position eines althergebrachten Wissens um historische Details einnimmt.[1]”. 

Auf diese Weise konstruieren wir die Geschichte, aufgrund von Ereignissen, wobei wir einige Begebenheiten auswählen und andere an den Rand drängen. Die Geschichte im Allgemeinen, diejenige, die „in die Geschichte eingeht“, ist nur eine vieler möglicher Erzählungen der „Geschichte“. Die Schaffung von Parallelgeschichten, die „die Geschichte“ unterstützen und vervollständigen sowie die Bedeutung dieser Geschichten in der aktuellen Phase einer strukturellen Vielfalt der Medien ist der Ausgangspunkt des Projekts:Encontrar la historia que no existe(Die Geschichte finden, die nicht vorhanden ist) visuelle Ideen, die eine Vertiefung der gesellschaftspolitischen Beziehungen der Vergangenheit und zu der sich ändernden Gegenwart bieten.

Idee

Erstellung eins konzeptionellen, formellen und symbolischen Dialogs, der von den gesellschaftspolitischen Auswirkungen des Kalten Krieges im aktuellen Kontext geprägt ist. In diesem Dialog besteht die Übung darin, auf Grundlage der heutigen Presse eine visuelle Arbeit anzufertigen.

Ablauf

Das Projekt basiert auf einer offenen Ausschreibung für die Realisierung eines zwei- bis dreitägigen Workshops mit Archiven. Es können bis zu 15 Personen teilnehmen. Die Teilnehmer werden während des Workshops dazu aufgefordert, Dialoge zwischen visuellen und graphischen Archiven und aktuellen journalistischen Dokumenten zu schaffen. Hierbei soll eine gemeinsame Archiv-Collage entstehen, auf der verschiedene Ereignisse der aktuellen gesellschaftspolitischen Lage integriert werden und zueinander in Beziehung treten. Die Themen, die diskutiert werden, sind eng mit dem aktuellen Kontext der Kapitalismuskritik nach den letzten Wirtschaftscrashs und der Finanzkrise sowie mit dem problematischen Rennen um die Kontrolle der Technologien und das Wiederauftreten der Diskussionen über die Nutzung der Kernenergie verbunden; diese Themen tauchten alle zum ersten Mal während des Kalten Krieges auf. 

Die Teilnehmer können auf diese Weise Geschichten erfinden, die parallel zu dem laufen, was sie in der Presse gelesen oder in Büchern gelernt haben. Es entstehen Archive, in denen sowohl die Wirklichkeit als auch Fiktion ihren Platz finden.

Die Teilnehmer arbeiten mit Rosell Meseguer bei der Auswahl der Ausschnitte und aktueller spanischer und internationaler Presseartikel zusammen. Die Struktur sieht wie folgt aus: 

  • Auswahl eines Bilds
  • Kontextualisierung dieses Bildes
  • Auswahl von mit dem Bild verbundenen Wörtern oder Sätzen
  • Auswahl von anderen Bildern, die sich auf das erste Bild beziehen
  • Erstellung einer formalen Struktur, in der die verschiedenen ausgewählten Elemente zueinander in Beziehung treten: es entsteht eine Archiv-Collage an der Wand oder auf einem Tisch.

Die Ergebnisse fließen in eine Publikation ein, außerdem entstehen mehrere Plakate anhand der Archiv-Collagen. Dieses Projekt wird als eine Fortsetzung in Dialogform des Projekts OVNI Archive (UFO-Archiv) angesehen, worauf auf die Erfahrungen bei der Projektentwicklung Bezug genommen wird. (Es werden Bilder im Zusammenhang mit dem Projekt aufgenommen.)

[1]Auszug aus dem Text:The Subconscious of History, Autor: Moshe Zuckermann für die Ausstellung Vergangenes Begehren/Past Desire –Galerie im Taxispalais, Innsbruck, Österreich

Rosell Meseguer.OVNI Archive
R. Meseguer Manifesta8

Rosell Meseguer: (*Spanien 1976) Doktorin für Bildende Kunst (Universidad Complutense Madrid). Zurzeit Dozentin an der Fakultät für Bildende Kunst dieser Universität. Lehrtätigkeiten an folgenden Einrichtungen: Fakultät für Bildende Kunst Cuenca; Fakultät für Kunst, Universität Chile; Nationale Universität Kolumbien. Die Transformation von Raum, das defensive Konzept in den Bereichen Militär, Gesellschaft, Politik oder Spionage sind wiederkehrende Themen in der Schaffung visueller Metaphern in verschiedenen Medien: Fotografie, Installation, Zeichnungen, Malerei und Dokumentation. Seit 1997 Ausstellungen in der Photographers´ Gallery, London; Manifesta8, PHE2004 und PHE2010; Casa Encendida, Tabacalera und MataderoMadrid, Madrid; Galerie im TaxisPalais, Innsbruck; Kulturhuset, Stockholm; The Stenersen Museum, Oslo; Nationalmuseum für Fotografie, Königliche Bibliothek, Kopenhagen; Arts Santa Mónica, Barcelona; Matucana 100, Santiago de Chile; La Panera, Lérida, Kulturzentrum Borges, Buenos Aires; Kulturzentrum Montehermoso, Vitoria. Sie erhielt u.a. den ersten Preis der Fundación Aena und Stipendien der folgenden Institutionen: MataderoMadrid, spanische Akademie in Rom, Generaciones Caja Madrid.

Das Goethe-Institut und die übrigen Projektpartner übernehmen keine Verantwortung von den getätigten Aussagen der Künstler in ihren jeweiligen Projekten.